Polo zum Sechzigsten

"Alle wollen lange leben, aber keiner will alt werden,"

das habe ich noch zu Polos 50. ausgerufen. Ich habe nun zehn Jahre an dem Satz gefeilt und komme jetzt, zu Polos 60., dahin zu sagen:

"Alle wollen alt werden, aber keiner will alt werden."

So einfach ist das und auch so doof.

Was die runden Geburtstage angeht, so ist einer schrecklicher als der andere; der weitaus schrecklichste ist jedoch der 60. Er stellt sozusagen das Eintrittsbillett in die Todeszone dar
- wenn man denn nicht gar das ganze Leben als eine solche anschauen will.

Diese Todeszone zeichnet sich durch einen rasanten Verfall körperlicher und geistiger Kräfte aus, denen der Mensch trotz grosser medizin-technologischer Anstrengungen rein gar nichts entgegenzustellen hat. Noch immer beträgt die Sterberate des Menschen knallige 100%. Immerhin ist der Tod eines der wenigen Dinge, das sich bequem auch im Liegen erledigen lässt.

Im Bereich der Todeszone ist es wichtig, dass man sich seinem Alter entsprechend verhält. Wenig angezeigt ist also zum Beispiel, das Ausüben von juveniler Protestmusik zum Behufe der Triebabfuhr, wie Rock'n'Roll und ähnliches. Angezeigt ist vielmehr, mit einem zerknitterten Plastiksack voll Glückspost-Hefte die Gassen rauf und runter zu schlurfen und dabei zu murmeln: Wart nur du krummwindiges Arschloch von einer Keksdose dir will ich!

Auch mit Sex sollte ein Todeszonaler langsam zu Rande gekommen sein. Nicht aus Gründen mangelnder Potenz, sondern aus geistiger Reife, das heisst, Einsicht in die vergebliche Liebesmüh‘ fortgesetzten Aneinander-Raspelns. Denn ausser zur Reproduktion der menschlichen Gattung – wer aber kann das bei einigermassen funktionierendem Verstande im Ernst schon wollen – stellt Sex nichts weiter als der völlig untaugliche Versuch dar, aus der Vereinzelung des geschlechtsbestimmten Individuums zur primordialen Einheit des androgyn-kompletten Menschen zu gelangen.

Was den „homo stallhasiensis“ dazu treibt, ist die Lust, deren volatile Zuckerwatte-Qualität die Aufgabe hat, diesen zu immer frenetischerem Mäuseln, Vögeln und Raspeln anzukurbeln, um ihr Ziel zu erreichen, nämlich, ihn alles andere als aus dem Stallhasen-Gefängnis seiner Einzelerscheinung ausbrechen zu lassen, ihn vielmehr noch tiefer darein zu drücken, zur alles andere als lustvollen Aufzucht weiterer todunglücklicher Einzelerscheinungen, die dann wiederum... undsoweiterundsofort. Solcherart einem ungewussten kosmischen Zweck dienend, der dem Prinzip des Fressen und Gefressenwerdens folgend dem von Schlachtvieh in der universellen Nahrungskette zur gegenseitigen Erhaltung kosmischer Erscheinungen nahekommt.

Fortpflanzung ist somit die Immortalisierung des geistig Unterprivilegierten in seiner Nachkommenschaft bis ins siebte Glied, anstelle des Ausstieges aus dem Kosmos durch die Realisierung des Realen in sich.

Nicht Fort-, sondern Hinaufpflanzung sollte nicht nur für den Todeszonalen, sondern für jeden geistesbegabten Menschen von vordringlicher Bedeutung sein.

Anders verhält es sich jedoch mit Drogen. Solche sollten im Alter in Massen konsumiert werden. Mit dem nahen Tod vor Augen in dieser Hinsicht noch mürggelig, spärelig und zurückhaltend zu werden ist lächerlich. Alkohol, Whiskey, Marijuana, Haschisch, Kokain, Heroin, Schokoloade, Frauenzeitschriften und Fernsehprogramme sollten  v o r    a l l e m  von Angehörigen der Todeszone konsumiert werden, da bei ihnen in aller Regel sowieso Hopfen und Malz verloren und der Zug einer geistigen Entwicklung eh längstens abgefahren ist. Deswegen sollten diese mit ihrem von psychogen wirkenden Drogen aufgerührten Lebenssatz wenigstens noch ein wenig illusionären Lebensfreude-Schwurbel verbreiten, anstatt mit ihren trostlos leeren Hosenböden auf ihren auf Bankkonten dahingammelnden Millionen hockend, ein Klima würmligster Verbiesterung zu verbreiten.

Soviel zu Sex, Drugs an' Rock'n'Roll angesichts des Schreckens der Situation.

Ich komme nun zur Würdigung des Jubilars:

Wie gemeinhin bekannt, ist Polo Hofer – wie andere Leute auch – zwischen Laken geboren worden. Weniger bekannt dürfte sein, dass der Jubilar im gestreckten Galopp während eines Poloturniers auf dem zugefrorenen Brienzersee gezeugt worden ist. Davon hat er nebst seinem Namen zweierlei davongetragen: Seine Gfrörli – ebenso wie seine Rossnatur. Polo suchte damit fertig zu werden, in dem er sich zeitlebens warm anzog und seine liebe lange Jugend hindurch Rösser zeichnete. Das Rossähnlichste, was er je hinkriegte, war ein Tapir, das ein wenig einem Schwein glich. Das liess ihn beinahe stifelisinnig werden, so dass er sich bereits mit 14 Jahren ein Ohr abschnitt.

Dieses Steckenpferd, die Verarbeitung seines Konzeptionstraumas, gab Polo erst auf, als er anstelle seines eigenen, den Ständer eines Mikrofons in die Finger bekam. Fürderhin keuchte, bellte, jaulte, brodelte und jodelte er in einer Art versuchter Selbstfellatio in selbiges und gelangte damit zu einiger Berühmtheit zwischen Hoden- und Dieler-, respektive Boden- und Bielersee. Ennet dieser beiden Laken jedoch fiel seine Berühmtheit jäh zu dem zusammen, was eh der Kern von Berühmtheit ist, nämlich... nichts!

Aus diesem Grunde suchen denn auch Leute mit auch nur ein wenig Grips nichts anderem so sehr auszuweichen wie der Berühmtheit, weil diese noch viel mehr als die fälscheste aller Drogen, nämlich Kokain, genau das im Menschen befördert, was in diesem ohnehin falsch ist, nämlich seine auf wenig bis nichts gründende Eitelkeit.

Polo ist der geborene Pfadfinder und Fähnliführer. Er ist der Pfadfinder, der in der Tiefe des Waldes seine Angst vor bösen Geistern mit Fröhlichkeits-Radau zu bekämpfen und von sich abzulenken sucht, indem er sich grösser macht als er ist.

Das ist verständlich, wenn auch eine Sackgasse, aus der zu entfliehen Polo unentwegt mit seiner Machete, dem Mikrofonständer, eigentlich dem Schlagholz des Polospielers, um sich schlägt. Damit erzielt er ab und zu ein Goal, oder erringt eine Platin-Platte, richtet aber auch viel Havarien an.

Eine Episode aus dem Leben des Pfadfinders und Fähnliführers Hofer zeigt zwei Konstanten seines Lebens auf:

Es war in einem Pfadilager in Südfrankreich. Die Latrine daselbst stank fürchterlich und war ein Geheimtip unter den Schmeissfliegen der gesamten Region. Fähnliführer Hofer, der den Pfadinamen „Urs, der Bär“ trug, fasste den Auftrag mit seinem Fähnli – späterhin waren es dann mehr Fahnen, die er hatte - den Auftrag, die Grube zuzuschaufeln. Nie speziell zu körperlicher Arbeit hingezogen, dachte sich Fähnliführer Hofer, es könnte doch auch damit getan sein, die Scheissblättchen anzuzünden, um das Problem aus der Welt zu schaffen. Eine Schnapsidee aus Faulheit geboren: Die brennenden Blättchen wirbelte es in die Luft und in der näheren Umgebung herum, so dass alsbald das dürre Gras in Flammen stand. Darauf hätten er und seine getreuen Fünftklässler „Füriooo, Füriooo!“ geschrieen – und das in Südfrankreich! Kein Wunder kam niemand angesprungen. Deswegen hätten er und seine Knechte dann mit ins Flusswasser getauchten Pfadikrawatten auf das sich ausbreitende Feuer eingeschlagen. Auch Tee und Birchermüesli hätten sie in die Flammen geleert. Aber es habe alles nichts genützt. Das Feuer habe auf den Wald übergegriffen, und als die Pompiers aus dem nahegelegenen Dorf endlich eingetroffen seien, sei diesen nur noch übrig geblieben, das restliche Südfrankreich vor dem Abbrennen zu bewahren.

180'000 Franken habe daraufhin die Pfadi-Versicherung brennen müssen.

Diese Episode zeigt sehr gut zwei Konstanten aus dem Hoferschen Leben: Scheisse bauen und mit dem Feuer spielen!

Der Mensch ist ja nur eines, aber das immer wieder anders. Polo mutierte zum Bandleader, eine lediglich etwas altersgemässere Form des Fähnliführers: Hinter Polo, dem Pfadfinder, rockte die Band, zur Vertreibung der bösen Geister im Dschungel des Lebens und vorne gab der Fähnliführer die Richtung an, ohne im mindesten Karte lesen zu können. Doch mit Massel und nicht geringer Anstrengung gelangten sie an die Spitze von Charts und Hitparaden und genossen von dort, in der kühlen und frischen Luft der Erfolgspitze, die Ausblicke auf die dampfenden und siedenden Niederungen der Maloche.

Polo hatte schon früh begriffen, dass Performance alles ist, und diese aus Hochtönerei und Hosen runterlassen besteht.

Sein Vater, Hoferjohnny, Mitglied in siebzehn Vereinen – möglicherweise nicht nur aus Spass, er musste ja auch die Hosen seines Konfektionsgeschäftes los werden – war auch Präsident der IGA, der Interlakener Gewerbe-Ausstellung, die er initiiert hatte. Bei der Eröffnung der ersten Ausgabe dieser Ausstellung, habe Hans schon des Morgens mit diesem und jenem viel zu tun gehabt und dabei auch immer ein wenig vom Weissen geschlückelt. Bei der Eröffnungsrede am Abend seien dann er, Polo, und seine Mutter unter den Gästen gewesen. Vater Hans, von kleiner Statur, habe einen Schmerbauch vor sich her und sich konstant geweigert Hosenträger zu tragen. In seiner Rede habe er sich, befeuert vom Weissen, in einen Furor geredet und Filius Polo und die Mutter hätten miterleben dürfen, wie des Hansen Hosen unter dem Bauch immer ein wenig mehr runtergerutscht seien. Das habe die Zuhörerschaft völlig in Bann geschlagen. Als die Hose dann auf Vaters Knien angelangt sei, hätten er, Polo, und die Mutter es vor Spannung nicht mehr ausgehalten und den Saal verlassen müssen.

In dieser Szene, die mancher Ahnungslose vielleicht als wenig bedeutend einzustufen geneigt ist, ist bereits alles präfiguriert, was späterhin den Rockstar ausmachen wird.

Polo hat als oberländischer Rock'n'Roll-Pfadfinder der Urlautlichkeit unseres heimischen Idioms Bahn geschlagen. Je entwickelter eine Sprache ist, umso mehr Sprache im Sinne intelligibler Äusserung ist diese. So gesehen war es von Polo äusserst intelligent, bei der musikalischen Verwendung von Sprache auf die Ebene der Mundart zurückzugehen, in welcher noch vieles an vorsprachlicher Lautlichkeit enthalten ist, wie „Jäää, ooouuuee...“ welche Äusserungen natürlich der Musik näher stehen als eine Hochsprache.

Darin ist ihm der Berner Troubadour Mani Matter, in dessen Traditionslinie Polo steht, vorangegangen. Auch Mani Matter war Pfadfinder. Sein bürgerlicher Name war Hansruedi Doebeli. Und dieser Hansruedi Doebeli, der zusammen mit seinem Bruder, der nach Paris auswanderte und sich Georges Brassens nannte, das Chanson – einen  Vorläufer des Rap-Gesanges – entdeckt hat, schaute extrem gerne Wildwestfilme und soll einmal anlässlich eines solchen ausgerufen haben „Money matters“, weshalb ihm der Übernahme <Mani Matter> angehängt wurde.

Seine Meisterschaft im Dichten trug ihm einen der begehrten Bergpreise ein und so ist zu Zeiten das Zermatterhorn in Matterhorn umbenannt worden. Eine Ehrung die unserem Jubilar bis dato verwehrt geblieben ist. Auf Hofers Horn warten wir noch.

Mit Musik allein sind wenige berühmt geworden, mit einer charismatischen Performance schon einige mehr. Will man jedoch in Sachen Popularität sicher gehen, dann ist es unabdingbar, dass man sich mit möglichst unbedachten Äusserungen nachhaltig ins Gespräch bringt. Auch in diesem Bereich ist unser Jubilar ein Meister.

Einer seiner diesbezüglichen Quotenrenner war die völlig unausgegorene Forderung nach Stimmrechts- und Führerausweis-Entzug für über 70jährige. An dieser Forderung ist nun wirklich alles falsch, was überhaupt falsch sein kann.

Was den Führerausweis angeht: Im Interesse von unser aller Wohlbefinden sollten Führerausweise einzig und allein  n u r  gerade an über 70jährige ausgehändigt werden. Denn infolge körperlicher Gebrechlichkeit ist es für diese schwierig zum Beispiel in Eisen- oder Trambahnen einzusteigen. Gerade die über 70jährigen sind es, die auf fahrbare Untersätze als Gehhilfen unbedingt angewiesen sind, im Gegensatz etwa zu serbokroatisch-montenegrinisch-kosovarisch-bosnisch-herzegowinaischen Jugendlichen, die ihre Rennen doch genau so gut zu Fuss abhalten könnten.

Anders sieht es mit dem Stimm- und Wahlrecht aus. Dieses sollte nicht nur über 70jährigen entzogen werden, sondern allen, die nicht auf drei zählen können, und das ist scheint’s die Mehrheit der Bevölkerung. Wie sollen Leute, die nicht über Sex, Bier und Autowäsche hinaus denken können, in der Lage sein, die Geschicke eines Volkes zu bestimmen? Das Problem der geistigen Minderbemittlung ist keineswegs ein Problem des Alters. Hier müssen gerade wir, als in die Todeszone Eintretende, doch voraus denken – ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an den saudoofen 68er Spruch "Trau keinem über 30".  

Doofheit ist ein generelles Problem, das alle Alterskategorien umfasst – wobei ich zugeben muss, dass es schon sehr viele total bescheuerte Alte gibt. Diesem Problem könnte man – wenn schon – dadurch beikommen, indem man Prüfungen für Stimm- und Wahlberechtigte einführte, in denen sich diese über minimale Kenntnisse und Geistesgaben zur Ausübung ihrer Rechte ausweisen müssten.

Zum Beispiel:

Wie heisst der General, der im zweiten Weltkrieg die Schweiz gegen die Deutschen verteidigte (bitte Zutreffendes ankreuzen):

a)  General Guisan

b)  Wilhelm Tell

c)  Murat Yakin

Wenn Sie die Wahl hätten, wie viel würden Sie dann für das gleiche Joghurt lieber bezahlen?

a)  80 Rappen

b)  1 Franken 80

c)  8 Franken 10

Wenn Sie Ihr Auto waschen, waschen Sie dann auch den Motor?

a)  ja

b)  nein

c)  weiss nicht

Zum Schluss möchte ich noch etwas zu dem Life-Style-Konsulenten und bekennenden Frauenversteher, Warmduscher und Sitzpinkler Polo sagen:

Ein Frauenversteher zu sein, sollte man sich eigentlich nicht rühmen müssen. Zu einem richtigen Mann  g e h ö r t ,  dass er die Frauen versteht. Wie könnte denn sonst so ein <Mann> einer Frau auch Leuchte und Stab in den Wirrnissen des Lebens sein? Wer Frauen nicht versteht, das sind diese effeminierten Latzhosenträger, welche die <Kunst des Liebens> von Erich Fromm unter dem Kopfkissen haben und sich den Pimmel zwischen die Schenkel klemmen, um nicht zu penetrant zu wirken. Solchen Männern ist es deswegen nicht gegeben, Frauen zu verstehen, weil sie halbe Frauen, anstatt ganze Männer sind.

Dass sich Polo lieber warm, als kalt duscht, sei ihm als Gfrörli unbenommen. Wichtig ist vielmehr, dass er dabei Seife verwendet.

Das mit dem Sitzpinkeln sollte er sich jedoch noch einmal überlegen. Die Aufforderung im Sitzen zu pinkeln, stellt nämlich nichts weniger als einen Kastrationsversuch am virilen Manne dar. Dass dabei hygienische Gründe vorgeschoben werden, ist lediglich Vernebelungstaktik, die aber nichtsdestotrotz das Ziel dieser Aufforderung benennt, nämlich Keimfreiheit, die in diesem Zusammenhang in keiner Art und Weise lebensübersteigend, sondern im Gegenteil unterschreitend ist. Hunde schiffen so hoch wie möglich an eine Hausecke, um ihre Körpergrösse und damit ihren Dominanzbereich zu markieren. Wenn Frauen Männer zwingen, im Sitzen zu pinkeln, dann zwingen sie sie zu einer Demutsgestik, die ihnen möglicherweise eine flachbrüstige, bürstenhaarschnittige Dominanzbewegung eingeflüstert hat, die sie aber als Frauen gar nicht wirklich wollen können, es sei denn ihre Vorstellung von einem Mann sei die eines auf dem Rücken liegenden Latzhöselers, der mit den Beinchen in der Luft strampelt. Und was die paar Tröpfchen neben der Scheisse angeht, so ist dazu zu bemerken, dass eine Scheisse eine Scheisse, die allenfalls von Zeit zu Zeit gereinigt oder angezündet werden kann, und kein Boudoir ist.

Diese Bemerkungen ändern nichts an dem überragenden Status von Polo, dem Number one Entertainer zwischen Boden- und Bielersee des letzten und auch dieses Jahrhunderts. Dafür gebührt ihm meine tiefgebeugte Reverenz und aufschauende Bewunderung.

Über die abgründigliche Schrecklichkeit seines 60. Geburtstages möchte ich aber keinen weiteren Worte mehr verlieren, sondern gnädig den Mantel des Schweigens breiten.

Prost!